Das Motiv der Liebe in der türkischen Dichtung am Beispiel von Yunus Emre

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Am Donnerstagabend, 26. April 2018, fand im Yunus Emre Enstitüsü Wien ein Vortrag über „Yunus Emre und das Motiv der Liebe” mit Professor Dr. Abdullah Takım von der Philologisch-Kulturwissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien statt. Prof. Takım widmete sich einer umfangreichen Auseinandersetzung mit dem Konzept der Liebe in der türkischen Dichtung, wo der Name Yunus Emre zweifellos eine tragende Rolle spielt.

Institutsdirektorin Ayşe Yorulmaz sprach in ihrer Eröffnungsrede u.a. über die Bedeutung Yunus Emres für die Entwicklung der türkischen Sprache, die auch im Türkischen Kulturzentrum in Wien unterrichtet wird. Der Grund, warum der Dichter und Mystiker aus dem 13./14. Jahrhundert als Namensgeber für die weltweiten Yunus-Emre-Institute gewählt wurde, sei jedoch dessen Symbolhaftigkeit für universell-humanistische Werte, Menschenliebe und sozialen Frieden. Die Botschaft, die Yunus Emre mit seiner Philosophie und Poesie vermittelt hat, sei, so Yorulmaz, „die Vorstellung von einem Zusammenleben aller Menschen in Frieden auf der Grundlage gemeinsamer Werte, ohne jegliche Unterscheidung zwischen Religion, Sprache oder ethnischer Herkunft“. Diese Botschaft sei gleichzeitig auch das Fundament der Arbeit des Yunus Emre Enstitüsü.

Um einiges genauer als etwa Informationen zum Leben Yunus Emres, der als Vorkämpfer sozialer Gerechtigkeit gilt, seien dessen Dichtungen und philosophisch-mystisches Gedankengut überliefert, übernahm Prof. Dr. Abdullah Takım daraufhin das Wort. Er erläuterte, dass die Gedichte Yunus Emres nur verstehbar wären, wenn man sich auch mit dessen Mystik beschäftige. In diesem Zusammenhang verwies Prof. Takım immer wieder auf Parallelen zu Mystikern anderer Glaubensrichtungen, darunter beispielsweise der spätmittelalterliche Theologe und Philosoph Meister Eckhart. Mystiker und Dichter seien laut Prof. Takım zudem maßgeblich am Aufbau von Sprachen beteiligt, dementsprechend sei der sprachschöpferische und -erhaltende Aspekt der Überlieferungen Yunus Emres für die türkische Sprache besonders hervorzuheben. Er war der erste Dichter, der das Türkische für lyrische Zwecke nutzte, dank ihm wurde die Sprache ausdrucksvoller und farbenstärker, zahlreiche Neologismen erhielten Einzug ins Türkische. Dies demonstrierte Takım anhand einiger Beispiele, die er den deutschen Übersetzungen sprachlich und inhaltlich gegenüberstellte und auch mit den Werken anderer Dichter, darunter auch Rumi, verglich. Ein Mystiker, so Takım, betrachte das Leben als Reise, wobei diese Reise keineswegs eine Flucht vor der Realität darstellt, sondern vielmehr den Weg zur absoluten Freiheit durch unterschiedliche Bewusstseinszustände hindurch beschreibt. Der Grund allen Seins, das allem anderen zugrundeliegende Prinzip, ist in der Mystik Yunus Emres die Liebe. Die Liebe zu den Menschen ebenso wie die Liebe zur Natur, bis hin zur Liebe von Gott und für Gott. Yunus Emres universelles Erbe lässt sich, mit den Worten Takıms, am besten nachempfinden, indem man durch Anatolien wandert und dort der Natur folgt.